Ein Jahr im Libanon – wie es anderen geht

Die Schönheiten von Beirut,
im rechten Bild eine Ausgrabungsstätte
dieses geschichtsträchtigen Landes

Ich schreibe diesen Text am 4. August 2021. Vor einem Jahr gab es im Hafen von Beirut eine riesige Explosion. Die Bilder des vergangenen Jahres haben wir heute Abend im Fernsehen gesehen.

Bewusst habe ich Fotos einer intakten Stadt ausgewählt. Der Libanon muss sehr schön sein. Die Menschen bleiben, auch wenn die Lebensumstände teilweise unhaltbar geworden sind.
Hier möchte ich wieder Teile von Rosis Briefen abdrucken. Rosi war meine Klassenkameradin und lebt seit fast 50 Jahren in Beirut. Sie liebt dieses Land und ist ihm treu geblieben, obwohl einige Jahre nach ihrem Zuzug der Bürgerkrieg begann. wikipedia.Libanesischer Bürgerkrieg

14. Januar „Jetzt haben wir den Salat. Krankenhäuser überfüllt, keine Betten mehr.  Gesundheitssystem eingebrochen. Am Montagabend dann endlich Bekanntgabe eines totalen Lockdowns ab heute, 14.1. bis zum 24.1. vorerst. Das heißt, Tag und Nacht Ausgehverbot und Schließung aller Supermärkte. Man stelle sich das mal vor. die Panikkäufe am Dienstag und Mittwoch. und dabei stand Klopapier nicht an erster Stelle (ha, ha). Ihr braucht Euch keine Sorgen um mich zu machen, habe alles auf Vorrat, auch Medikamente, von denen nicht mehr alles erhältlich ist. Haben aus dem Bürgerkrieg gelernt, dass man auf alles gefasst sein muss. Allerdings, trotz Schließung der Supermärkte muss keiner verhungern. Man kann telefonisch oder online Bestellungen aufgeben und die gewünschte Ware wird geliefert.“

Ostern 2021: „Ich halte mich sehr zurück und gehe nur hinaus, wenn unbedingt nötig. Für die nächsten 3 Tage herrscht hier striktes Lockdown. Habe mir sagen lassen, dass Autofahrer, die ohne Erlaubnis auf dem Weg waren,, dass ihre Autos konfisziert wurden und dass sie zu Fuß weitergehen mussten. Alles ziemlich schlimm, hier. Mit der Stromversorgung klappt es auch nicht sehr gut. Wer keinen Generator im Gebäude hat, bekommt mehrere Stunden am Tag keinen Strom. Ich kann mich nicht beklagen. Meine Tochter Karen und ich sind noch wohlversorgt. Meine |Tochter Nadia in Columbien (mit Familie) geht ihnen auch gut. Hier im Libanon leiden nicht nur die Menschen.. Leider können nicht mehr alle Familien ihre Haustiere halten, weil sie nicht mehr das Geld fürs Futter haben. Noch ne Freundin und  ich fahren herum mit Hunde- und Katzenfutter für die vielen ausgesetzten Tiere.

So, jetzt langts  mit Jammern. Haben erfahren, dass deutsche und französische Firmen sich darum bemühen, den Beiruter Hafen und umliegende zerstörte Stadtteile wieder aufzubauen,, allerdings nur dann, wenn hier endlich eine Regierung gebildet wird. Das geht jetzt nun schon seit 8 Monaten und  noch kein Licht im Tunnel in Sicht.

Fotos: Jerzy Strzelecki
Cedars of God in Nature Preserve of Mont Lebanon

13. Juni: Jetzt, wo es durchaus möglich ist, dass wir in absehbarer Zeit kein Internet mehr haben werden, muss ich mich melden. Vor allem möchte ich Euch vergewissern, dass es mir gut geht, ich leide keine Not, habe zu essen und zu trinken, ein Dach über dem Kopf und bin guter Dinge. Gerade ging der Strom weg. , jetzt schreib ich dank UPS. Unser Generator bleibt jetzt aus bis 18.30 Uhr, d.h. eineinhalb Stunden. In der Zwischenzeit werde ich etwas essen. und bin dann wieder zurück.
Sogar haben wir Strom vom Staat, sodass sich der Generator noch etwas ausruhen kann. In Deutschland hört man dieser Tage sicherlich nicht viel über den Libanon. Hier geht es weiter dem Abgrund zu in jeder Hinsicht. Die Versorgung mit Strom wird immer schlechter, manche Stadtviertel haben in 24 Stunden nur 7 Stunden Strom. Wenn kein Generator vorhanden ist, dann haben es die Bewohner schwer, besonders, wenn sie in den höheren Stockwerken wohnen und es keinen Aufzug gibt.. Auch manche Medikamente werden unauffindbar. Glücklich, wer jemanden im Ausland hat, der die manchmal lebensnotwendige Medizin herschicken kann, am besten mit einer Vertrauensperson, denn mit Post könnte es „verloren“ gehen. Jeden Morgen – seit einiger Zeit –  stehen schon seit vor 6 Uhr früh Autos Schlange vor den Tankstellen in der Hoffnung, dass, wenn sie endlich gegen 9 Uhr aufmachen, je4der gerade mal 10 Liter Benzin wird tanken können. Gegenüber unserem Gebäude ist eine solche Tankstelle, und wir erleben es tagtäglich, was dort passiert, das geht auf keine Kuhhaut. Stundenlang im Stau stehen, ab gegen 8 Uhr wird die Sonne schon sehr heiß, da erhitzen sich die Gemüter schnell und fast jeden Tag muss die Polizei (wenn sie überhaupt kommt) für Ruhe und Ordnung sorgen.. Wir fahren so wenig wie möglich mit dem Auto, viele Gänge kann man zu Fuß erledigen, es sei denn, man hätte sch
wer zu tragen. Wir kommen zurecht. Übrigens, ich habe ja noch meinen alten VW Käfer Model 1968. Benutze ihn nur wenig, aber zur Not fährt er noch wie eine 1. Anfang Juli kommt Nadia von Kolumbien mit ihrer Familie für eine kurze Zeit nach Deutschland. Sie will auch für 1 Woche uns in Beirut besuchen, allerdings ohne die kleine May, die soll bei ihrem Papa bleiben. Damit ich auch meine Enkeltochter wieder mal in die Arme schließen kann, werde ich vielleicht Mitte Juli für ein paar Tage nach Deutschland kommen. Es ist noch nicht sicher. Natürlich würde ich gerne kommen, doch gehe ich auch nicht gerne jetzt weg, wenn es so viele Schwierigkeiten gibt und ich nicht mehr für meine Freunde aus der deutschen Gemeinde da sein kann. Wir sind nur noch wenige, da einige kürzlich verwitwet und alleinstehend ohne Kinder sind und auf andere, so wie mich, im Notfall zählen. Bis dahin ist noch Zeit und wir können Lösungen erarbeiten.   

7. Juli: Leider hab ich nichts Schönes zu berichten, es geht immer weiter den Bach runter. Jetzt kommt am Samstag meine Tochter Nadia, die ja sonst in Kolumbien  lebt alleine hierher für eine Woche, ohne den Rest der Familie, Es wäre zu schwierig,  mit den Stromsperren und den anderen Widrigkeiten hier einen schönen  Sommeraufenthalt zu erleben.. Aus diesem Grund, und damit ich auch wieder mal meine Enkeltochter sehen und erleben kann, habe ich gebucht vom 19.7. bis zum 28.7. Das sind nur wenige Tage, aber das genügt mir auch. Selbst wenn die Situation hier sehr schwierig ist, so bin ich doch lieber hier vor Ort und mache mir nicht Sorgen Über das, was hier vorgeht.
Ich wünsche Euch allen einen gesunden und sorgenfreien Sommer, ladet Eure Batterien auf, der Herbst wird nicht leichter und Ihr solltet gewappnet sein. IN ALTER FREUNDSCHAT und mit vielen lieben Gedanken an Euch alle  herzlichst     Rosi

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