Windkraft -Initiative Grünberger Ärzte

Gesundheitliche Risiken als Folge von Infraschall- Dauerbelastungen durch Windturbinen Ärzteinitiative gegen die Errichtung von Windenergieanlagen an problematischen Standorten in Grünberg und Umgebung im Projekt „IGL“ 

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Dr. Lars Wittek, sehr geehrte Mitglieder der Regionalversammlung Mittelhessen, sehr geehrte Landrätin, Kreisbeigeordnete und Dezernenten des Landkreises Gießen! 

Die Initiative Grünberger Ärzte wendet sich mit diesem Aufruf zugleich an das Regierungspräsidium Gießen sowie an den Bürgermeister und Magistrat der Stadt Grünberg sowie an die betreffenden Dezernate des Landkreises Gießen, mit der Bitte um Kenntnisnahme und um enstliche Berücksichtigung der öffentlichen Belange hinsichtlich der Vermeidung von problematischen Standorten zur Errichtung von Großwindenergie- anlagen hier vor Ort. 

Prämisse 

Wir betonen ausdrücklich, dass unsere Initiative als ein unabhängiges ärztliches Votum zu verstehen ist, welches ausschließlich aus unserer Verantwortung für die vorbeugende Gesundheit unserer Bevölkerung begründet ist. Deshalb erfolgt unser Aufruf frei von jeglicher politischer Bewertung im Hinblick auf die allgemein umstrittene Thematik zur Windenegienutzung als solche. Wir möchten diesen Appell auch in keinem Fall als eine voreingenommene Stellungnahme zu der grund- legenden Frage verstanden wissen, ob Windenergie-Anlagen per se aufgrund sachlicher bzw. technischer oder ökologischer Aspekte überhaupt gerechtfertigt sein mögen oder nicht. Einzig und allein steht hier zur Diskussion, ob von dem Betrieb derartiger großtechnischer Anlagen, wie den hier vor Ort geplanten Windturbinen, eine mögliche Gefährdung der Gesundheit ausgehen kann. Demzufolge beschränken wir unser Votum ausschließlich auf die derzeit in Grünberg vorgesehenen kritischen Standorte und dies unter den jeweils vorgegebenen Betriebsbedingungen der Anlagen. Und wir thematisieren hierbei unsere Besorgnis im Hinblick auf den nach unserem ärztlichen Ermessen unzureichenden Immisionsschutz der Grünberger Mitbürger. 

Allgemeine Problematik hinsichtlich des Schutzes vor schädlichen Immissionen 

Das Recht auf Gesundheit gehört zu den Grundrechten eines Menschen im Geltungs- bereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Denn: 

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. – GG Art. 2 Abs. 2 

Im Hinblick auf den Immissionsschutz gewährleisten die hierbei geltenden gesetzlichen Grundlagen (nach BImSchG) in der Regel ein hohes Schutzniveau für die Bevölkerung. 

In diesem hier gegebenen Fall geht es jedoch um den besonderen Schutzanspruch des Bürgers gegen mögliche Gefahren einer schädlichen Immission durch Windturbinen. Eine angemessene Gefahrenvorsorge ist im Allgemeinen aber nur dann möglich, wenn für eine bestimmte Art der Umwelteinwirkungen und für bestimmte Noxen auch alle diesbezüglichen Gefährdungsrisiken hinlänglich bekannt sind. Hierzu müssen geeignete wissenschaftlich fundierte Nachweise erbracht und durch validierte empirische Studien belegt werden. Für den Fall, dass bestimmte Grenzwerte festgelegt werden sollen, sind die betreffenden Parameter, welche an bestimmten gesundheitsgefährdenden Wirkungen beteiligt sind, durch entsprechend anerkannte Messverfahren derart zu quantifizieren. Im Umkehrschluss gilt diese Argumentation selbstverständlich auch im Falle eines vom betroffenen Bürger im Sinne seines Schutzanspruchs einzufordernden Unbedenklichkeitsnachweises für eine betreffende Immission. Auch hierbei müssen dieselben strengen o.g. Anforderungen gelten, wonach unbedingt ein validierter Nachweis der Unschädlichkeit verlangt werden muss. 

Nachweislich sind die von den Windturbinen ausgehenden Wirkungen auf den Menschen, welche von hörbaren tieffrequenten Schallenergien bzw. von unhörbarem Infraschall ausgehen, jedoch nur unzureichend erforscht. Da bisher lediglich eine begrenzte Anzahl derartiger Großwindanlagen erst seit wenigen Jahren betrieben wird, ist der wissenschaft- liche Kenntnisstand über die weitreichenden Wirkungszusammenhänge auf den menschlichen Organismus bisher noch völlig unzulänglich. Belastbare emprische Daten hierzu sind demnach gleichfalls nicht verfügbar. Erst recht gibt es keinerlei validierte Studien über die Langzeitwirkungen einer Infraschall-Exposition über viele Jahre und sogar Jahzehnte hinweg. Bei einer erwarteten Betriebszeit der Windturbinen von mehr als 20 Jahren wären die Betroffenen somit einer Infraschall-Dauerbelastung über 175.000 Stunden ausgesetzt. Völlige Unkenntnis herrscht indes über die Wirkungen einer Infraschall-Exposition über derart lange Zeiträume! 

Die von den jeweils Bevorteilten der Windenergienutzung oftmals behauptete gesund- heitliche Unbedenklichkeit der Infraschallemission von Windturbinen ist hingegen noch völlig unbewiesen. Denn 

es gibt keine belastbaren Studien, die die Unbedenklichkeit von langfristiger Einwirkung tieffrequenten Schalls unterhalb der Hörschwelle beweisen! 

Dass derartige Studien zu den Schallemissionen von Windkraftanlagen fehlen, wird vom Umweltbundesamt und auch vom Robert-Koch-Institut ausdrücklich beanstandet. (S.9ff.) 

Im entschiedenen Widerspruch zu der zweifelhaften Behauptung einer grundsätzlichen Unschädlichkeit ist hingegen inzwischen unbestreitbar, dass die von den Windturbinen ausgehenden niederfrequenten Schallimmissionen tatsächlich zahlreiche schädigende Wirkungen auf den menschlichen Organismus aufweisen. Dies wird übrigens auch durch unsere diesbezüglichen Recherchen zweifelsfrei belegt. Denn in den betreffenden wissenschaftlichen Studien wird auf alle möglichen Gesundheitsrisiken immer wieder dezidiert hingewiesen (siehe dazu die Darstellung unserer Argumentationsgrundlage auf Seite 5 ff nebst Literaturquellen) Besonders problematisch wird hingegen die Frage nach den rechtlichen Anforderungen an die Genehmigung von Windenergieanlagen. Denn in der Verwaltungspraxis, z.B. nach dem BImSchG, werden derartige Anlagen, lediglich gestützt auf den Richtlinien der TA Lärm, nach unserer Beurteilung auf unvertretbare Weise vorschnell genehmigt. Wir halten diese Verfahrensweise im Sinne des Schutzinteresses für die Gesundheit des betroffenen Bürgers für höchst unverantwortlich. Denn die Mess- und Auswertungsvorschriften und die benötigten Schallprognosen im formalen Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen sind gemäß dem leider derzeit immer noch geltenden, aber äußerst problematischen Regelwerk jedoch gänzlich ungeeignet, den Schutz der sensiblen Strukturen im menschlichen Organismus zu gewährleisten. Diese rein formale Regelung blendet die inzwischen längst bekannten gesundheitlichen Risiken für den Menschen jedoch völlig aus. Die Argumente bzgl. der ungeeigneten Schutznormen werden wir im Abschnitt 4 auf Seite 11ff gesondert darstellen. 

Die konkrete Problematik bezüglich der WEA Standorte in Grünberg 

Nunmehr möchten wir die gegenwärtig vorgesehenen und von uns beanstandeten WEA- Standorte im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in der Gemeinde Grünberg aufgreifen. Unser Appell richtet sich in diesem konkreten Fall an die Planer und potentiellen Betreiber des regionalen Windpark-Projektes „IGL“ (der iTerra GmbH & Co.KG , bzw. der IGL Windparkenergie GmbH & Ko.KG.) innerhalb der Liegenschaften der Gemeinde Grünberg und an die verantwortungsbewußten kommunalpolitischen Akteure sowie an die betreffende Genehmigungsbehörde. Die hierin geplanten Windturbinen würden ein nicht hinnehmbares Gesundheitsrisiko darstellen. Denn diese insgesamt fünf Anlagen befinden sich auf einigen bedenklichen Flächen in völlig unzureichendem Abstand zu den dort angrenzenden Anwohnern. Aus den betreffenden öffentlich bekanntgewordenen Planungsunterlagen ist nunmehr klar ersichtlich, dass in mehreren Fällen die betreffenden WEA-Standorte z.B. im näheren Umfeld zur Theo-Koch-Schule Grünberg und den Ortsteilen Weickartshain und Lehnheim sowie ganz in der Nähe zu einem Landwirtschaftlichen Betrieb vorgesehen wurden. (Zur Kartierung siehe ANLAGE) Wir Grünberger Umweltmediziner, Biomediziner und Ärzte haben vor allem die real existierenden Gefährdungen im Blickfeld, welche von Windturbinen an problematischen Standorten ausgehen und die zudem noch völlig unzureichende Abstände zu den angrenzenden Bewohnern aufweisen. Insbesondere möchten wir noch einmal mit großer Eindringlichkeit auf die Problematik der gesundheitsgefährdenden Wirkung einer ununterbrochenen und jahrzehntelangen Schallexposition mit sehr niederfrequenten Schallenergien auf die davon betroffenen Grünberger Mitbürger aufmerksam machen. Denn dieser gemeinhin als „Infraschall“ bezeichnete Anteil der von den Windturbinen emittierten sehr niederfrequenten Schallenergie stellt nach Sichtung der diesbezüglichen bereits vorliegenden wissenschaftlichen Studien sowie aufgrund ärztlicher Kommunikation ein gesundheitliches Gefährdungsrisiko dar. Dies gilt insbesondere für diejenigen Menschen, welche dieser Dauerbelastung im Falle eines nachweislich unzureichenden Abstandes zu den WEA ausgesetzt sind. 

Deshalb stellen wir die Forderung auf, die diesbezüglichen Planungen in Grünberg vorsorglich noch einmal einer kritischen Revision zu unterziehen. 

Wie z.B. die betreffende Verordnung im Bundesland Bayern ausweist, wird hier eine Mindest-Entfernung von der 10-fachen WEA-Bauhöhe, bezogen auf die betreffende Windenergie-Anlage, gefordert. Diese Regelung sollte gemäß dem Vorsorgeprinzip und im Sinne eines präventiven Schutzes der Grünberger Bevölkerung ebenso auch für unser Gemeindegebiet als absolute Mindestdistanz auf gar keinen Fall unterschritten werden. Nach den derzeitigen wissenschaftlichen Studienergebnissen und gemäß der einschlägigen Publikation von B. Voigt zur Thematik: „Gesundheitsgefährdung durch Infraschall. – Wie ist der internationale Stand des Wissens? – Sind die Mindestabstände in Deutschland ausreichend groß?”, wird hingegen ein Mindestabstand von 3000m eingefordert, welcher nach heutigem Erkenntnisstand als vertretbar erscheint. Da die im Grünberger Windparkprojekt „IGL“ vorgesehenen Windturbinen inzwischen in einer Leistungsklasse von über 2 Megawatt mit einer Bauhöhe von 210m betrieben werden sollen, welche in Hessen bisher kaum verbreitet sind und wobei zudem eine sehr geringe Anzahl derartiger Großwindanlagen bisher erst wenige Jahre im Betrieb ist, können zu dieser Problematik auch noch keine empirischen Langzeitstudien existieren. Zur realistischen Risikoabschätzung der gesundheitsgefährdenden Infraschallenergien bedarf es hingegen belastbarer Daten, welche jedoch erst aufgrund von Untersuchungen nach einer jahrzehntelangen Dauerbelastung verfügbar sein werden. 

Angesichts dieser unwägbaren Risiken tragen wir als Ärzte, unabhängig von unserer fachlichen Ausrichtung, eine Verantwortung für die vorbeugende Gesundheit unserer Bevölkerung und fordern somit die Einhaltung eines sicheren Abstandes der betreffenden WEA Standorte zu den angrenzenden Bewohnern. Die um Grünberg geplanten Windkraftanlagen stünden nach Durchsicht der aktuellen Planungsunterlagen somit deutlich näher zu den Ortsteilen Lehnheim, Lauter, Weickartshain, Stockhausen und auch zu großen Teilen der Grünberger Wohngebiete. Die Theo-Koch-Schule mit über 1500 Schülern liegt nur ca. 1200 Meter von den geplanten Anlagen entfernt. Hier lernen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zu 8 Stunden täglich und wären dabei den genannten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. (Hinweis: Die in der ANLAGE enthaltenen Lagekarten zeigen die geplanten Windenergie- anlagen und ihre Abstände zu den jeweils betroffenen Grünberger Ortsteilen sowie zur TKS.) 

Wir fordern: 

Keine Genehmigungsfähigkeit der im Projekt „IGL“ geplanten Windenergieanlagen für den Fall, dass die betreffenden Standorte nicht einen weitgehend als sicher geltenden Mindestabstand von 3000m zur umgebenden Wohnbebauung bzw. zu den Grünberger Schulen aufweisen. 

Diese Maßnahmen zur Prävention halten wir für zwingend geboten, solange eine gesundheitliche Unbedenklichkeit der betreffenden Anlagen wissenschaftlich noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden ist. 

Im Übrigen schließen wir uns dem Votum unserer Kollegen des „Ärzteforums Emissionsschutz AEFIS, Bad Orb“ vollinhaltlich an (siehe dazu Seite 10ff) 

Initiative Grünberger Ärzte 

vertreten durch 

Dr. Ortger Krantz Prof. Dr. Horst Prehn 


ANHANG 

Kurzfassung der Argumentationsgrundlage 

Definitionen: 

Immission (aus dem lateinischen) bedeutet „innenwändig eindringen” in Körperzellen. Immissionen in Zellsysteme zur Wahrnehmung von Sinneswelten beruhen auf physikalischen Einwirkungen, die biophysikalisch weiterverarbeitet das Gehirn über Umwelteinflüsse informieren. Diese Perzeption von Umweltreizen wird im Gehirn zur bewussten Wahrnehmung (Apperzeption) aufbereitet. Dies geschieht über komplexe neuronale Verschaltungen. 

Schallwahrnehmung 

Schall erreicht in der Regel über die Luft das menschliche Gehör mit dem Ohr als zuständigem Sinnesorgan. Tieffrequente Schallereignisse können darüber hinaus auch mit anderen Organen wahrgenommen werden (taktile sowie vestibuläre Wahrnehmung). Über das Trommelfell und die Gehörknöchel werden die Schallwellen an das Innenohr weitergeleitet und über die inneren und äußeren Haarzellen an die weiterleitenden Nervenbahnen übertragen. Die äußeren Haarzellen sind anders als die inneren Haarzellen fest mit der Tektorialmembran verbunden. Dadurch ist auch bei langsamen Bewegungen durch sehr tiefe Frequenzen eine große Auslenkung und damit eine signifikante Reizwahrnehmung möglich (Salt 2011). Von Teilen der Hörbahn wird das Kerngebiet der Amygdala miterfasst und auch miterregt. Ihre Funktion besteht unter anderem in einem modulierenden Einfluß auf die Zentren des Hypothalamus, der seinerseits das beherrschende vegetativ-nervöse bzw. hormonelle Regulationszentrum für den gesamten Organismus darstellt. Diese Verarbeitungssysteme funktionieren ohne kognitive Beteiligung, was dazu führt, dass sie auch während des Schlafes vollständig aktiv sind (Spreng in Ising u.a. 2001). Schallimmissionen haben dadurch nicht nur aurale, sondern auch extra-aurale Wirkung, z.B. in Form von körperlichen Stressreaktionen. 

Stress 

Stress ist eine physiologische Reaktion des Körpers auf einen physischen oder psychischen Reiz und ist modulierbar durch das Gefühl der Kontrolle über die Situation. Er beruht auf einem uralten genetischen Programm, das der Lebenserhaltung, je nach Bedarf, durch einen Flucht- oder Angriffsmechanismus dient. Bei Gefahr erfolgt eine immense Energiebereitstellung (Adrenalin, Sympathikus), gleichzeitig erfolgt im Rahmen der Alarmreaktion des Körpers eine blitzartige Mobilmachung aller Körperreserven. Über das Zentralnervensystem (spez. limbisches System) wird zum einen die Achse „Hypothalamus > Hypophyse > Nebennierenrinde > Immunsystem“ und zum anderen die Achse „Sympathikus > Nebennierenmark > Herz-Kreislauf-System“ aktiviert. 

Stressreaktionen 

Blutdruck und Puls steigen an, Muskelspannung und Atemfrequenz nehmen zu, die Blutgerinnung wird aktiviert, es werden mehr Glucose und freie Fettsäuren bereitgestellt. Im Gegenzug werden Verdauung, Immunkompetenz und Sexualfunktion in ihrer Aktivität eingeschränkt. Wird die Stress-Situation zu einem Dauerzustand, kann die natürliche Abfolge von Stressbewältigung und Entspannung nicht stattfinden und es kommt zu den typischen Stressfolgen: 

– Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses – Nervosität, Gereiztheit, Unzufriedenheit, Unausgeglichenheit – Angst, Unsicherheit, Aggressionen, Apathie – Chronische Müdigkeit – Schlafstörungen – Infekte – Herz-Kreislauf-Beschwerden – Gastritis, Verdauungsbeschwerden – muskuläre Verspannungen 

Akustische Immissionen durch Windturbinen 

Windkraftanlagen sind Energiewandler, die durch Umwandlung der Bewegungsenergie des Windes in Rotationsenergie mit Hilfe eines Generators elektrische Energie erzeugen können. Dabei kann dem anströmenden Wind maximal 59% seiner Leistung im Sinne der Energieerzeugung entzogen werden (Betz sches Gesetz). Moderne Windkraftanlagen erreichen derzeit einen Leistungsbeiwert von 40%. Der nicht nutzbare Energieanteil des Windes (theoretisch mindestens 41%, praktisch derzeit 60%) findet sich in Form von Druckwellen durch Turbulenzen wieder. Druckwellen sind nichts anderes als Schall. Eine Windkraftanlage produziert also mehr Schall als Strom! Während mechanische Geräuschursachen verhältnismäßig unbedeutend geworden sind, enthalten Schallemissionen von Windkraftanlagen heute fast ausschließlich Lärm- komponenten aerodynamischen Ursprungs. Mit der angestrebten Zunahme der Anlagengröße (Repowering) werden neben der Turmhöhe auch die Rotorradien vergrößert. Mittlerweile hat dadurch eine moderne Windkraftanlage die doppelte Spannweite eines Jumbojets erreicht. Die Eigenfrequenz der Rotorblätter liegt mit unterhalb 16Hz im nicht hörbaren Infraschallbereich. Die Rotorspitzen bewegen sich mit bis zu 400km/h auf einer Kreisbahn. Dabei breiten sich wie bei einem Jumbojet Wirbelschleppen in Lee-Richtung aus. Die Vergrößerungg der Anlagen hat sowohl stärkere als auch zunehmend niederfrequente Schallemissionen zur Folge. Die Schallausbreitung wird durch die Phänomene geometrische Verdünnung, Luftdämpfung, meteorologische Einflüsse, Bodeneffekt, mögliche Hinderniswirkung sowie mögliche Reflexionen bestimmt. Mit zunehmender Entfernung wird der Schalldruck nach folgendem Gesetz abgeschwächt: bei Verdoppelung des Abstands wird bei idealisiert kugelförmigem Ausbreitungsmuster der Schalldruck halbiert, sinkt also um 6 dB. Bei ungünstigen Umgebungseinflüssen kann ein eher zylindrischer Ausbreitungsmodus mit nur 3 dB Schalldruckabnahme je Abstands- verdoppelung entstehen. 

Viele gleichartige Anlagen erhöhen den Schallpegel nach folgender Faustregel: 

– Ein Anlagenpaar erzeugt zusammen 3 dB mehr Schalldruck als die einzelne Anlage. – Je langwelliger der Schall ist, desto durchdringender vehält er sich. – Mit sinkender Schallfrequenz wird die Schallabsorption durch Dämmmaßnahmen 

wirkungslos. – Infraschall läßt sich durch keine Schutzmaßnahmen bremsen, er nimmt nur langsam mit 

zunehmendem Abstand zu seinem Ursprungsort ab. – Innerhalb von Gebäuden sind häufig höhere Meßwerte nachweisbar als davor, 

routinemäßige Messungen im Haus sind bisher nicht vorgeschrieben. – Infraschall ist noch in 10km Abstand von Windenergieanlagen nachweisbar! 

Lärm-Schall im Hörbereich 

Lärm kann man unterteilen in eine objektive Komponente, die dem physikalischer Reiz entspricht (Lautstärke in dB, Impulshaltigkeit) und in eine subjektive Komponente, die aus dem individuellen Erleben besteht (wie das Geräusch empfunden/bewertet wird). Durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die TA Lärm soll der Mensch vor schädlicher Lärmeinwirkung geschützt werden. 

Auszug aus den Richtwerten der TA Lärm: 

Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete: tags 60 dB(A); nachts 45 dB(A) Allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete: tags 55 dB(A); nachts 40 dB(A) Reine Wohngebiete: tags 50 dB(A); nachts 35 dB(A) 

Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. 

Niederfrequenter Schall bzw. Infraschall 

Die Wahrnehmung und Wirkung tieffrequenter Geräusche unterscheiden sich erheblich von der Wahrnehmung und Wirkung mittel- und hochfrequenter Geräusche. Im Bereich zwischen 60 und 16 Hz (niederfrequenter Schall) nimmt bei noch vorhandenem Höreindruck die Tonhöhenempfindung ab, die unter 16 Hz (Infraschall) völlig verschwindet. Bei entsprechendem Schalldruckpegel wird Infraschall als Pulsation oder Vibration vom Körper aufgenommen. 

Die höchste Empfindlichkeit des Hörorgans liegt bei 3.000 – 4.000 Hz, Geräusche mit z.B. 10 Hz können auch bei hohen Pegeln von 100 dB nicht mehr „gehört“ werden. Die Wirkungen auf die anderen Körperorgane (Gehirn, Herz-Kreislauf, Leber, Nieren, Magen, Skelett) existieren aber unabhängig vom Gehör als sogenannte extraurale Wirkung. Forschungen von Salt haben 2012 gezeigt, daß die äußeren Haarzellen des Innenohres durch tieffrequenten Schall mit Schalldruckpegeln unterhalb der bis dahin beschriebenen Wahrnehmungsschwelle erregt werden und Informationen an das Gehirn weiterleiten. Bei einer Frequenz von 10 Hz genügt dafür ein Schalldruck von 60 dB. 

Die Wirkungen der nicht gehörten, aber im Gehirn verarbeiteten Schallereignisse sind vielfältig. Drei Mechanismen sind bekannt: 

Mechanismen der unbewussten Aufmerksamkeitssteigerung: Infraschall beeinflusst die auditive Verarbeitung und die Funktion des Stammhirns, der Schnittstelle von Rückenmark und Gehirn. Hier findet die Steuerung essentieller Lebensfunktionen statt (Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, wichtige Reflexe). Tieffrequenter Schall versetzt somit das Stammhirn in einen „Alarmzustand“. Die Folge: Schlafstörungen, Panik, Blutdruckanstieg, Konzentrationsstörungen 

Amplitudenmodulation durch Empfindlichkeitsänderung der Inneren Haarzellen. Die Folge: Pulsation, Unwohlsein, Stress 

Endolymphatischer Hydrops. Die Folge: Unsicherheit, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, Übelkeit, Tinnitus, Druckgefühl im Ohr, „Seekrankheit“ 

Neben der in jüngster Zeit festgestellten Schallaufnahme von Infraschall und Reizweiterleitung durch die äußeren Haarzellen des Innenohres (Hörorgan, Cochlea) werden Schallwellen auch durch das Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan, Otholithenorgan) empfangen. Das Gleichgewichtsorgan ist für Schallwellen von z.B. 10 Hz um 15 dB empfindlicher als das Hörorgan. Primär entsteht eine Unsicherheit durch verzerrte Wahrnehmung und Verschlechterung der Verarbeitung von Gleichgewichts- signalen, sekundär können kognitive Probleme, Angst und Panikattacken entstehen. Gewöhnung als sensibilitätsmindernde Adaptation ist in Bezug auf die neurologische (nicht psychoakustische!) Verarbeitung von Langzeit-Niederfrequentem Schall in der Medizin nicht bekannt. Im Gegenteil: je länger die Dauer der Exposition, desto mehr rücken unterschwellige Ereignisse durch Bahnungseffekte in den Bereich der medizinischen Wirksamkeit (Goldenstein 1967, Ambrose und Rand 2012, Colin H. Hansen 2013). 2005 ist von Weiler in einer Einzeluntersuchung an einer Probandin experimentell nachgewiesen worden, daß sich das EEG durch Infraschalleinwirkung unterhalb der Hörschwelle signifikant verändert. Die Topographische Darstellung des Alpha3-Bandes wies dabei ein sehr ähnliches Verteilungsmuster wie bei Tinnituspatienten auf. Für den zweiten langsamen Frequenzbereich (Theta) konnten anhand der Brainmaps erhöhte Powerwerte im linken und/oder rechten vorderen Quadranten nachgewiesen werden. Beides sind typische Bilder für eine labile emotionale Lage. Zusätzlich konnte eine erhöhte Theta-power im okzipitalen Bereich dokumentiert werden, was auf das Vorliegen von Schwindel und von Schlafstörungen hinweist. 

Diese Einzelfalluntersuchung ist ein wichtiger Hinweis auf die vermuteten Zusammen- hänge, die dringend mit einer ausreichend großen Probandenzahl weiter erforscht werden sollten. Erstmals 2009 von Nina Pierpont und seither auch in vielen anderen Fallberichten weltweit beschrieben, werden die folgenden Symptome inzwischen zur sogenannten Windturbinen-Krankheit (Wind-Turbine-Syndrome) zusammengefaßt: 

Schlafstörungen Tagesmüdigkeit, Leistungseinbußen Konzentrationsstörungen Lernschwierigkeiten bei Kindern Schwindel, Gleichgewichtsstörungen Tinnitus Kopfschmerzen Sehstörungen Funktionsstörungen am Herzen Hoher Blutdruck Übelkeit, Magen-Darm-Störungen Reizbarkeit, innere Unruhe Panikattacken Depression 

Im Schlüsselkatalog der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-GM-20I4) werden Infraschall, mechanische Schwingungen oder Vibrationen unter den Nummern T 75.2 und Z 57.7 gelistet. Wie kann durch ministerielle Broschüren und durch Äußerungen von politischen Mandatsträgern ständig der Anschein vermittelt werden, dass von niederfrequenten Emissionen keine Gefahren ausgehen können? Man begründet dies damit, der Infraschall der Windkraftanlagen liege deutlich unter der „Wahrnehmungsschwelle“ des Menschen. Die Orientierung an einer „Wahrnehmungsschwelle“ ignoriert bekannte Krankheits- entstehungswege. Die krankmachenden Wirkungen niederfrequenter Schallwellen

beruhen auf messbaren physiologischen Mechanismen und müssen von der immer wieder angeführten Wahrnehmungsschwelle deutlich getrennt werden! Dies beruht auf der Tatsache, dass die Schallaufnahme bei weitem nicht auf das Gehör beschränkt ist (Gehirn, Haut, Gleichgewichtsorgan etc.). Medizinisch erfassbare Wirkungen entstehen bei Langzeitbelastung mit Infraschall durch Bahnungseffekte auch bei Pegeln deutlich unter der „Wahrnehmungsschwelle“. Die “Wahrnehmungsschwelle” als untere Grenze des Gesundheitsschutzes ist heute nicht mehr akzeptabel. Eine auf den vorliegenden medizinischen Wirkungen basierende „Wirkungsschwelle“ muss zukünftig den Rahmen der gesundheitlichen Belastung der Bevölkerung festlegen. 

Es ist in der Medizin bekannt, dass chronische Krankheiten nach dem Dosis- Wirkungsprinzip entstehen (Dosis im Körper ist das Produkt aus Intensität mal Wirkungsdauer.): „Die Dosis macht das Gift”. Dies macht plausibel, warum Infraschallfolgen erst nach Monaten oder Jahren der Belastung entstehen können und die Ursache der Erkrankungen somit verschleiert wird. 

Die gängige Praxis der Kurzzeitmessungen ignoriert Langzeitfolgen. Dadurch ist die (Schutz-)Norm „langzeitblind“, genau wie gerne zitierte Laboruntersuchungen zur Infraschallproblematik. 

Es gibt keine belastbaren Studien, die die Unbedenklichkeit von langfristiger Einwirkung tieffrequenten Schalles unterhalb der Hörschwelle beweisen! 

Schon 2007 hatte das Robert-Koch-Institut einen deutlichen Mangel an umweltmedizinisch orientierten wissenschaftlichen Studien zu tieffrequentem Schall festgestellt und großen Handlungsbedarf gesehen. In der „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“, die im Juni 2014 vom Umweltbundesamt veröffentlicht worden ist, wird festgestellt: 

– dass negative Auswirkungen von Infraschall im Frequenzbereich unter 10 Hz auch 

bei Schalldruckpegeln unterhalb der Hörschwelle nicht ausgeschlossen sind – dass bei tiefen Frequenzen mit steigender Dauer der Exposition die Empfindlichkeit 

zunimmt – dass derzeit für den Infraschallbereich (0,1 bis 20 Hz) keine allgemeingültige Mess- und 

Beurteilungsvorschrift existiert. – dass im ganzheitlichen Immissionsschutz auch der Frequenzbereich unter 8 Hz berücksichtigt werden sollte. (Der Neuentwurf der DIN 45680 berücksichtigt nur Frequenzen über 8 Hz.) – dass es fraglich ist, ob das Abstrahlungs- und Ausbreitungsmodell für kleinere 

Windenergieanlagen auf moderne, große Anlagen übertragbar ist. Aufgrund theoretischer Betrachtungen von Strömungsakustikern ist nicht davon auszugehen. Zudem kann je nach Ausbreitungsbedingungen der Schalldruckpegel mit zunehmendem Abstand zu- statt abnehmen (Van den Berg 2006) 

Diese Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall beinhaltet die aktuell umfang- reichste Literaturübersicht und sieht unverändert einen dringenden Forschungsbedarf. Die Ärztekammer Wien warnt im April 2014 vor groß dimensionierten Windkraftanlagen und fordert umfassende Studien über mögliche gesundheitsgefährdende Auswirkungen sowie gemäß dem einzuhaltenden Vorsorgeprinzip einen adäquaten Mindestabstand in besiedelten Gebieten. In Schweden haben Fachärzte in der Schwedischen Ärztezeitung im August 2013 auf die Gesundheitsrisiken durch Infraschall hingewiesen und festgestellt, daß 30% der Anwohner davon betroffen sind. Die Abwehr dieser Gesundheitsschäden hält in Deutschland derzeit nicht Schritt mit der geplanten flächendeckenden, bedrängenden Entwicklung der Windkraft: Die Abwehr von Gesundheitsschäden kann nicht einer gewollten technischen Entwicklung geopfert werden, sondern muss zwingend mit dieser Entwicklung Schritt halten. 

Die Mess- und Auswertungsvorschriften und die benötigten Schallprognosen im Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen sind erwiesenermaßen nicht zum Schutz der sensiblen Strukturen im menschlichen Organismus (Cochlea, Vestibularorgan) geeignet. Nur auf der Grundlage einer entsprechend spezifizierten und hinreichend sensitiven Messtechnik (z.B. mikrobarometrische Messverfahren) lassen sich zukünftig auch die erforderlichen adäquaten Schutznormen entwickeln, sodass dadurch ein notwendiger und hinreichender Schutz vor Infraschallimmissionen gewährleistet wird. Die Problematik der gegenwärtigen und somit ungeeigneten Schutznormen betrifft auch das Bundesimmissionsschutzgesetz sowie die dazugehörige TA Lärm mit der DIN 45680. Derzeit läuft in Berlin noch das Novellierungsverfahren der DIN 45680 Norm für die Messung und Beurteilung tieffrequenter Geräuschimmissionen, wozu auch Infraschall gehört. Diese Überarbeitung der als Schutznorm für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung gedachten Regelung sollte den rasanten technischen Entwicklungen der Emissionsquellen einerseits und dem vertieften Verständnis über gesundheitliche Immissionswirkungen andererseits Rechnung tragen. Dies ist im derzeitigen Entwurf der DIN 45680 allerdings nicht der Fall und hat zu einer Fülle von medizinischen und wissenschaftlichen Einsprüchen geführt. 

Zitate: Argumentation des Ärzteforums Emissionsschutz AEFIS, Bad Orb: 

1. Die Orientierung an einer “Wahrnehmungsschwelle” ignoriert bekannte Krankheitsentstehungswege 

Pathogene Wirkungen niederfrequenter Schallwellen entstehen tatsächlich auf Grund physiologischer und neurobiologischer Mechanismen und müssen von der immer wieder ins Feld geführten Wahrnehmung jeglicher Art getrennt bewertet werden. Dies beruht auf der Tatsache, dass die Schallaufnahme bei weitem nicht auf das Gehör beschränkt ist: bekannt sind heute die Schallaufnahme durch die äußeren Haarzellen des Innenohrs (OHCs) und durch das Gleichgewichtsorgan, wobei die neurologische Verarbeitung und die pathophysiologischen Auswirkungen jeweils durch EEG-Untersuchungen und entstehende Krankheitssymptome nachweisbar werden (Ising 1978, Kasprzak 2010, Krahé 2010, Holstein 2011). Medizinisch erfassbare Wirkungen und neurologische Reaktionen entstehen bei Langzeitbelastung mit LFN, aber auch bei Pegeln deutlich unter der „Wahrnehmungsschwelle“ durch Bahnungseffekte. Die Vielzahl der uns vorliegenden Kasuistiken zu den Langzeiteffekten von LFN zeigen gleichsinnige Verläufe und Symptomatiken. Die wesentlich geringere Erregungsschwelle des Gleichgewichtsorgans auf LFN (bei 10Hz etwa 45dB empfindlicher als das Hörorgan!) und die heute bekannte physiologische Funktion der „saccular acoustic sensitivity“ bei der Verarbeitung akustischer Signale machen plausibel, warum die bislang angesetzte “Wahrnehmungsschwelle” als Schutzgrenze unbrauchbar ist. 

2.Kurzzeitmessungen ignorieren Langzeitfolgen 

Die im aktuellen DIN-45680-Entwurf bislang beschriebenen Infraschallwirkungen betreffen in der Regel höhere Pegel und kurzzeitige Expositionen. Die Norm ist „langzeitblind“, genau wie gerne zitierte Laboruntersuchungen zur Infraschallproblematik. Es ist aber in der Medizin bekannt, dass chronische Krankheiten nach dem Dosis-Wirkungsprinzip 10 

(Dosis im Körper ist das Produkt aus Intensität mal Wirkungsdauer) auch durch unterschwellige Stressoren entstehen können, sofern die Schädigungsdauer und die Periodizität zu einer Summation von selbst unterschwelligen Wirkungen führen. „Die Dosis macht das Gift“. Gewöhnung als sensibilitätsmindernde Adaptation ist in Bezug auf die neurologische (nicht psychoakustische!) Verarbeitung von Langzeit-LFN in der Medizin nicht bekannt. Im Gegenteil: je länger die Dauer der Exposition, desto mehr rücken unterschwellige Ereignisse, durch Bahnungseffekte, z.B. durch die Torwächterfunktion des limbischen Systems, in den Bereich der medizinischen Wirksamkeit. Dieser Wirkmechanismus ist auch bei der Entstehung des Tinnitus beteiligt. 

3.Tonalität und Impulshaltigkeit werden unterbewertet 

Entscheidend für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und die Schwere der Symptome sind neben dem Pegel und der Dauer der Exposition gegenüber LFN vor allem das Vorhandensein tonaler/schmalbandiger Spitzen und spektraler Auffälligkeiten. Diese erfahren durch Resonanzphänomene in den Wohnräumen der Betroffenen eher eine Verstärkung, als dies für breitbandige Geräusche der Fall ist (Ambrose / Rand 2012). Tonale Komponenten in tieffrequenten Geräuschen sind typisch für technischen Quellen, die LFN emittieren. Sie tragen durch ihre charakteristischen Eigenschaften (Pegel über Hintergrund, Frequenzstabilität) ganz wesentlich zu der Schädigungs- und Störwirkung tieffrequenter Schallbelastungen bei (Inukai 2004/2005). Die besondere Bedeutung tonaler Anteile sind in der Akustik und Lärmwirkungsforschung seit Jahren bekannt und die zugrunde- liegenden Mechanismen in der neuronalen Verarbeitung von Schallreizen begründet. Die besondere Empfindlichkeit des Menschen für periodische Schallreize tiefer Frequenzen auch unterhalb der Hörschwelle wurde erstmalig schon 1967 belegt (Goldenstein). Die besondere Relevanz auch unterschwelliger tonaler Spitzen wurde jüngst erneut, sowohl von Ambrose und Rand (2012) als auch von Colin H. Hansen (2013) bestätigt. Die angestrebte Neufassung der DIN 45680 in Bezug auf die Tonhaltigkeit und Impulshaltigkeit der Schallemissionen von Windenergieanlagen und anderen LFN emittierenden Industrieanlagen würde eine deutliche Zunahme der unzumutbaren Belastungen durch technische Quellen nach sich ziehen. 

4.Derzeitig benutzte Messtechnik, Auswertungsverfahren und Schallprognosen sind für Infraschall ungeeignet 

Die sensiblen Strukturen im menschlichen Organismus (Cochlea, Vestibularorgan) können durch Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung auch relativ schwacher und niederfrequenter Schallimmissionen geschädigt werden. Es gilt also: die Verfeinerung der Mess- und Auswertungstechnik muss mit der Erkenntnis niedrigerer Wirkungsschwellen Schritt halten. Nur mit sensibler Technik (mikrobarometrische Messverfahren, FFT- Analyse) lassen sich sensible Strukturen schützen. Die in der angestrebten Neufassung der DIN 45680 beschriebene veraltete Messtechnik und die vereinfachten Auswertungsmethoden sind daher nicht mehr zeitgemäß und erfüllen weder qualitativ noch quantitativ die Erfassungsanforderungen, die notwendig sind, das Ziel dieser Norm zu erfüllen: Den Gesundheitsschutz der von den Immissionen betroffenen Menschen. 

Die für die Genehmigungspraxis von Windkraftanlagen gültigen Verordnungen und Normen zur Abwehr von Emissionsfolgen in Deutschland geben de facto den aktuellen Wissensstand nicht wieder und lassen im internationalen Vergleich wesentlich zu niedrige Abstände der Emissionsquellen zur Bevölkerung zu. Nicht umsonst haben gerade die Staaten mit vermehrter infraschallbezogener Forschung dem Bau von Windkraftanlagen größere Auflagen erteilt (Portugal, Österreich, Polen) oder Baustopps verfügt, um Forschungsergebnissen nicht vorzugreifen (Australien, Kanada). Eine Erkenntnis lässt sich auf jeden Fall aus den vorliegenden Informationen ableiten: Ein großer Abstand zur Windkraft-Emissionsquelle stellt eine größere, aber nicht absolute Sicherheit vor emissionsbedingten Gesundheitsschäden dar. Der Bund lässt über die Länderöffnungsklausel Abstände bis zur 10 fachen Anlagenhöhe zu. Im Sinne der Risikovorsorge haben andere Bundesländer (z.B. Bayern) die Länder- öffnungsklausel genutzt, die Gesundheit ihrer Bürger durch ausreichende Mindestabstände (10H) zu schützen. Bis zum Vorliegen belastbarer Ergebnisse aus Langzeituntersuchungen mit ausreichend großen Probandenzahlen und geeignetem Studienaufbau (siehe Machbarkeitsstudie) sollte daher auch für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vorsorglich bundesweit der „Bayrische Mindestabstand“ von 10H festgeschrieben werden. 

Aktuelle Pressenotiz: Unser nördlicher Nachbar Dänemark hat, nach einigen besorgniserregenden Vorfällen, auf die Bedrohung durch die Windkraftanlagen reagiert: „Ein Großteil der dänischen Kommunen hat die Pläne für neue Windparks auf Eis gelegt, bis die staatliche Untersuchung über die Gesundheitsprobleme durch Infraschall abgeschlossen ist.“ Die Regierung in Dänemark hat einen entsprechenden Forschungs- auftrag an ein führendes Krebsforschungsinstitut vergeben, die Ergebnisse sind in 2017 zu erwarten.(www.welt.de) 

Das Votum des Ärzteforums AEFIS 

Als Ärzte sehen wir uns in der Pflicht, die Menschen vor den gesundheitlichen Nachteilen einer zunehmenden Technisierung unserer Umwelt zu schützen. 

Gesundheitliche Schutzbereiche sind nicht verhandelbar und dürfen nicht zum politischen Tauschobjekt werden. 

Die Gesundheit ist das höchste Gut, welches wir besitzen. Wir wollen vermeiden, dass Menschen aufgrund fehlender Risikovorsorge erkranken. Es gibt bereits jetzt ausreichende wissenschaftliche Hinweise, die belegen, dass die derzeitige Praxis der Windkraftanlagenplanung nicht den wissenschaftlichen Erkennt- nissen genügt, um eine medizinische Unbedenklichkeit zu formulieren. Vor einem weiteren Ausbau der Windenergie sollte zum Schutz vor Immissionen dringend die Forschung auf diesem Gebiet intensiviert werden, um belastbare Informationen zu den erforderlichen Rahmenbedingungen zu erhalten. Ohne medizinische Grundlagenforschung bei offensichtlichen Nebenwirkungen darf kein technologischer Wandel in diesem Land vollzogen werden. 

Ärzte stehen hier in der Verantwortung, ihre Stimme zu erheben und Fehlentwicklungen zu verhindern. 

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