Die längste Flussinsel Deutschlands: Harriersand

„Heute ist kein Sommer“

sagt Andrea Brockmann, als wir uns wundern, am 18. August um 14.00 Uhr die einzigen Gäste in der Strandhalle Harriersand zu sein.

Blick von der Strandhalle auf die linke Weserseite


Es war die Abgeschiedenheit inmitten einer viel befahrenen Wasserstraße, ein wunderschöner Sandstrand, wie direkt am Meer mit Strandhafer bewachsen. Der Wind blies hin und wieder kräftig und schmeckte schon gewaltig nach Nordsee. Gegenüber die Silos von Brake durchkreuzten die Idylle. Eine Insel mit Brüchen – wie das Leben der Wirtin.

Angela Brockmann war über 30 Jahre als Technische Zeichnerin bei Thyssen tätig, bis sie sich sagte, „das kann nicht alles gewesen sein.“ Es war ihr möglich, die Arbeit bei Thyssen aufzugeben und in ihr Ferienquartier auf Harriersand zu ziehen. Ganz untätig wollte sie nicht sein, so machte sie den Führerschein für den Schulbus.

Der Bus fährt nur 2x täglich
über die Brücke muss er auch.

Der Kontakt zu den Schülern gefiel ihr sehr. Außerdem lernte sie die anderen Inselbewohner kennen, hielt gute Nachbarschaft mit der Wirtin der Strandhalle, die die Gastronomie aus Altersgründen aufgeben wollte. Zu der Zeit erkrankte Angela, man gab ihr nur wenig Überlebenschancen. Für Angela Brockmann war das ein Weckruf „Dann übernehmen wir jetzt die Strandhalle!“ Bei dieser verrückt erscheinenden Idee wurde sie von ihrem Partner in jeder Beziehung unterstützt. Es erfolgten die ersten Umbauten, man gestaltete das Außengelände. Und Angela kam mehr und mehr zu Kräften.

;Hoffentlich kann hier jeder aus der Flasche trinken! – Mit dem Geld, das in den Wunschbrunnen geworfen wird, wird der Deutsche Kinderverein für seine Aktionen gegen Kindesmisshandlung unterstützt.

Das besondere Fernglas oder der Wunschbrunnen waren die Ideen des Partners, der es versteht aus der Not eine Tugend zu machen. Ein Freund sollte zum Umbau vom Strand etwas vom reichlich vorhandenen Sand holen. Anstatt hier und da eine Schippe zu nehmen, schaufelte er ein tiefes Loch,aus dem er ohne Hilfe nicht mehr heraus kam. „Das darfst du dann wieder zuschaufeln“, sage Angela. Ihr Mann meinte dagegen, „nö, daraus bauen wir einen Brunnen.“ Und setzte das zügig in die Tat um. Der Brunnen führt zwar kein Wasser, aber er lässt Wünsche wahr werden.

Der Umbau war 2019 fürs erste vollendet, der Laden lief gut an – dann kam Corona.

Viele Stühle, die auf Gäste warten

Mittlerweile ist das Restaurant nur noch von Freitag bis Sonntag geöffnet. die Speisekarte wurde vereinfacht, für die Speisenzubereitung stehen drei Hausfrauen zur Verfügung.. Zwei befreundete Köche kommen nur noch zu Veranstaltungen in die Strandhalle. Der Service wird von jungen Mädchen durchgeführt, die ihre Arbeit gut machen, aber bei denen manchmal männliche Gäste ihr Bedürfnis ausleben, die Frauen herunter zu putzen. Das kann den Herren dann ganz freundlich von der Wirtin passieren. Bedienungen, die von der anderen Weserseite kommen, müssen die letzte Fähre um 19.00 Uhr erreichen. Lauter Einschränkungen, doch Angela Brockmann versteht es, schwierige Situationen positiv zu verändern. Wir meinten, es kämen wohl nur ganz zielgerichtet wenige Gäste an die Strandhalle, aber durch den Weser-Radwanderweg gibt es viel Laufkundschaft.

mehr Leute hinterlassen auch mehr Spuren im Sand

Auch im Winter ist an Wochenenden geöffnet. Familienfeiern und andere Veranstaltungen füllen dann das Lokal mit Menschen. Uns gefielen ganz besonders die weißen Stühle am Strand, vor allem in der Gewitterstimmung wie auf dem Foto. Es gibt sogar ein paar Muscheln. Durch die Gezeiten hat die Weser als Schifffahrtsgewässer in Trockenzeiten weniger Probleme mit der Tiefe der Fahrrinne. Allerdings wurde auch hier immer schon gebaggert. Und seit die kleine Weser auf Initiative eines Unternehmers mit Buhnen versperrt – und jetzt Naturschutzgebiet – ist und meistens trocken liegt, muss weniger gebaggert werden. Kurioserweise kommt das Wasser bei einer Springflut aber von der kleinen Weser. Die Getreidesilos gegenüber in Brake gelten als die mit dem schnellsten Umschlag in Europa. Zu Beginn des Ukraine-Krieges hätte sie es als gespenstisch empfunden, dass kaum noch Frachtverkehr zu sehen war, sagt Andrea. Inzwischen habe sich die Lage normalisiert.

Anfang des Artikels wie bei Nachrichten: Eigentlich sollte es nach Stade gehen, aber unsere Freundin sagte wegen Corona ab. Ein Ausflug zur Nordsee wäre schön gewesen, doch am östlichen Jadebusen und in Butjadingen gibt es nur Schlickwatt – an das man nicht mal heran kann. An der Weser fand ich den Ort Käseburg unterhalb von Brake mit Sandstrand, aber baden sollte man dort wegen der vielen Containerschiffe lieber nicht. Und dann entdeckten wir gegenüber in der Weser eine Insel, auf der nichts zu sein schien. Erst die Vergrößerung zeigte einige Häuser, einen Campingplatz und ein Restaurant. Eine gute Stunde Fahrt von Ganderkesee über die Fähre in Bremen-Blumenthal und durch abseits gelegene, von Landwirtschaft geprägte Orte bis Rade. Von dort führt die Inselstraße über einen Deich und eine Brücke über die Kleine Weser über 9 km bis an die Inselspitze. Erste Verwunderung am Parkplatz: „Ihre Parkgebühr in Höhe von 5,€ wird auf den Verzehr angerechnet“. Es war so „Tote Hose“, dass ich erstmal schauen wollte, ob überhaupt geöffnet war. (Der Parkautomat funktionierte gar nicht). Ein Hecke schneidender Mann brummelte vor sich hin. Eine Frau mit Korb kam uns entgegen „Gehen Sie nur, der Kiosk ist geöffnet“. Der Kiosk war zu, den Eingang zum Restaurant versperrten zwei Stühle. aber es gab eine Klingel. Ein kurzes Geplänkel, doch schon beim dritten Satz hatte ich den Eindruck, diese Frau ist eine besondere, was sie sagt, müsste man für den Bilderbogen aufnehmen. Ich traute mich nicht zu fragen, das machte Winfried 5 Minuten später, nachdem wir etwas zu trinken sowie zwei Brötchen mit Brathering und mit Matjes bestellt hatten.

Man ist am Weser-Radwanderweg, nicht am Jakobsweg – auch wenn man das bei den sehr leckeren Brötchen in Form der Jakobsmuschel vermuten könnte.

Wir können uns vorstellen, auf dieser Insel mal ein paar Tage im Winter zu verbringen. Es gibt zwei Bauernhöfe, die Ferienwohnungen vermieten, z. B. diese https://www.fewo-harriersand.de/apartments/. Hier werden auch Auszeit-Wochenenden angeboten. Bauernhöfe gibt es einige mehr, auch von Bioland und mit Hofladen. Uns scheint die Insel sehr geeignet für Menschen, die Ruhe möchten, lange Spaziergänge am Weserstrand, Vogelbeobachtungen lieben oder Zeit brauchen, um ein Buch zu schreiben, in Ruhe ein Bild zu malen oder zu fotografieren. Und dann in die Strandhalle, essen, einen Grog oder Ostfriesentee trinken und einen Klönschnack mit der Wirtin Andrea halten.
Wenn ihr hinkommt, grüßt sie von uns! Kontakt nur per Telefon: 04296-419 oder 0171-2088523

Fotos: Winfried Senger (1, 4, 5, 7, 9); Eveline Renell

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