Let´s talk about Sex

Ein Beitrag zur Gender-Debatte

In der medizinischen Fachwelt, wie auch in unserer Gesellschaft, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein grundlegender Wandel in der Denkweise und im Verständnis der Geschlechteridentitäten vollzogen.
Das heißt: wir haben unsere Einstellungen den Gegebenheiten der Natur angepasst, statt die ideologisch begründete Sichtweise, es gäbe nur weiblich und männlich, aufrecht zu erhalten.

Real gibt es in der Natur überall viele Zwischenstufen der geschlechtlichen Ausprägung von Merkmalen, wie auch von sexuellen Identitäten. Diese werden nun nicht mehr pathologisiert, also als krankhaft angesehen, oder gar für strafbar erklärt.
Zwar kann die Entwicklung der Geschlechtsidentität, vergleichbar mit der sexuellen Orientierung, im Verlauf der Kindheit und Jugend fließend veränderlich sein, ist aber nach heutigem Verständnis weder durch erzieherische noch durch psychotherapeutische Einflussnahme oder durch religiös motivierte Teufelsaustreibungen oder Konversionsbehandlungen (bei denen Homo- in Heterosexuelle gewandelt werden sollen) beeinflussbar.

Daher sind Maßnahmen, die die Geschlechtsidentität einer Person verändern wollen, nicht nur unethisch, sondern seit 2020 in Deutschland zudem strafbar (KonvBG §2 = Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen).
Meist sind solch homophobe (= Angst vor Homosexualität) Abwehrreaktionen gegen eigene derartige homophile (homofreundliche) Neigungen gerichtet, die aber, statt bei sich geklärt, im anderen bekämpft werden.

Wie eigentlich überall gilt auch hier die Maxime Kant´scher Prägung: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu.“
Für Menschen, die sich der Regenbogen oder LGBTQ-Community (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer) zugehörig fühlen, ist ein sicherer und akzeptierender sozialer Umgang in Elternhaus, Schule und Gesellschaft wichtig, denn die alten Vorurteile wirken auch in einer aufgeklärten Gesellschaft weiter und wirken verletzend.
Da ist vor allem auch daran zu erkennen, dass diese oft diskriminierte Menschengruppe besonders selbstmordgefährdet ist; die Wahrscheinlichkeit für einen Suizidversuch bei diesen Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen liegt zwischen 15-40 %.
Kein Elternteil möchte sein Kind verlieren. Daher gilt es hier besonders verantwortlich zu handeln.

Eigentlich sollte das selbstverständlich sein; ist es doch völlig egal, welcher religiösen oder sexuellen Orientierung, welchen Praktiken oder Wünschen jeder privat für sich anhängt oder realisiert. Problematisch wird es immer nur dann, wenn die Grenzen des Gegenüber nicht respektiert werden, wenn gemeint wird, es besser zu wissen, wenn statt informiert, missioniert oder Grenzverletzend, den anderen nicht achtend, ein Nein nicht akzeptierend, gehandelt wird.

Ich erinnere mich noch gut an eine Männergruppe – so etwas war, wie Selbsterfahrung, in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mal modern. Damals, noch unerfahren, erkundigte sich ein offenkundig schwuler Mann, ob er die Mittagspause mit mir verbringen könne. Unmittelbar war ich mit meinen Ängsten vergewaltigt zu werden konfrontiert. Natürlich waren diese Sorgen völlig irrational. Denn so wie ich niemanden einfach anspringen und sexuell belästigen würde, war auch von ihm aus keinerlei Motivation in dieser Richtung zu erkennen. Wir hatten ein ganz entspanntes, interessantes Gespräch unter jungen Männern, während wir unsere Mittagsmahlzeit zusammen einnahmen. Alles war ganz normal – bis auf meine merkwürdigen Befürchtungen. Nicht bei ihm war etwas komisch, sondern bei mir – bei meinen Befürchtungen, die sich klar aus religiösen Hintergründen herleiten ließen.

Derartige (zum Teil übertriebene ) Vorsichtsreaktionen zeigen sich in allen möglichen Lebenslagen, in denen man mit Neuem oder mit Menschengruppen, die man schlecht einzuschätzen vermag, konfrontiert ist; seinen das Asiaten, die für uns sehr ähnlich aussehen, Menschen mit anders colorierter Hautfarbe oder anderem kulturellen Verhaltenskodex.
Dem gegenüber stehen dann vielerlei Erfahrungen z.B. aus Urlaubsreisen in ferne Länder entgegen, in denen immer wieder erlebt wurde, dass die allermeisten Menschen freundliche, hilfsbereite Wesen sind.

Quelle: Romer G, Lempp T,, Geschlechstinkongruenz, Nervenheilkunde 2022, 41:309-317, Thieme
Prof. Romer arbeitet an der Uniklinik Münster: Mail: g.romer@ukmuenster.de

Lesen Sie auch die zur Weihnachtszeit entstandenen Beiträge „Jesus hätte auch ein Mädchen sein können“ – 
Teil 1 und Teil 2

Foto: Lindemann

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